Mit Saturn-Neptun kommen wir nun zu einer Konstellation, die wie keine andere die Frage der Schuld aufwirft. Es ist eine Konstellation, die, wenn sie im Menschen auftaucht, eine ungeheure Tiefe
und Stille besitzt. Wobei diese Tiefe und Stille nicht im Sinne einer Undurchdringbarkeit, das heißt eine Dichte, bedeutet, sondern eher eine gewisse Weigerung oder Verweigerung, das was sich
hinter der Stille und Tiefe verbirgt, zu offenbaren. Eine sehr geheimnisvolle Konstellation, die auch gekennzeichnet ist durch eine, zumindest aus menschlicher Sicht, sehr hohe Intensität an
Irrationalität.
Die Schuld, und zwar die Schuld an sich, ist das Wesensbild von Saturn-Neptun. Die Schuld an sich bedeutet hier, und das können wir direkt auf Menschen übertragen, die diese Konstellation konkret
im Horoskop haben, diese Schuld bedeutet hier, dass man Schuld ist schon allein an der Tatsache, dass man geboren wurde. Dass man in dieser Welt ein Dasein führt. Diese Schuld ist die größte
Schuld, die man besitzen kann, hat aber selbstverständlich keinen realen Hintergrund. Es gibt keine plausible Erklärung für diese Schuld, die unbewusst in einem Menschen mit Saturn-Neptun
eingelagert ist. Dennoch ist diese Schuld vorhanden, beziehungsweise ist dieses Schuldgefühl unterschwellig, latent, intensiv in dem Menschen angelegt. Normalerweise braucht es, um sich eine
solche Situation, in der man sich befindet, bewusst zu machen, mehrere Lebensjahrzehnte. Aber die entsprechenden Verhaltensformen, die aus der Konstellation entstehen, die sind natürlich auch am
Anfang des Lebens bereits vorhanden.
Das inhaltliche Bild, was sich aus der Schuld ergibt, ist die bewegungslose Stille. Gemeint ist damit ein Zustand, in dem man verharrt - also bewegungslos ist - wo keine Veränderung stattfindet,
und in der auch im Sinne der Stille etwas Kontemplatives und auch Meditatives enthalten ist. Im Grunde genommen ist es der Mönch, der sitzt und meditiert. Wenn man dieses Inhaltsbild der
bewegungslosen Stille in eine Form gießt, dann haben wir das, was wir den kühlen Wald nennen können. Also ein Revier, ein Areal, ein Milieu, in dem Stille und eine meditative Entspanntheit, also
alles andere als Hektik oder Stress regieren. Der kühle Wald oder auch das Moos an den Bäumen, auch das wäre ein zulässiges Formbild für Neptun-Saturn. Der kühle Wald symbolisiert auch, wenn man
sich in ihm aufhält, in ihm langsam, still bewegt, eine gewisse innere Nachdenklichkeit, eine gewisse Suche nach den Gründen der eigenen vermeintlichen Verfehlungen und der eigenen vermeintlichen
Schuld. Denn Sie müssen davon ausgehen, dass ein Mensch mit Saturn-Neptun zumindest unbewusst ständig mit dieser vermeintlichen Schuld, die gar keine ist, konfrontiert ist.
Das Problem bei Saturn-Neptun ist auch, dass er keine wirklich brauchbaren Indizien, beziehungsweise Reaktionen, auf sein eigenes Naturell, das sich, so meint es, schuldig gemacht hat durch das
Dasein an sich, finden kann. Wir müssen feststellen, dass Saturn-Neptun keine sehr harte Konstellation wie Sonne-Saturn oder Mars-Saturn ist, sondern, dass die Suche nach realen Anhaltspunkten
vergleichbar ist mit der Situation des sich ständig Entziehens. Wonach man sucht, das entzieht sich der Suche, und so bleibt der Suchende im Grunde genommen die ganze Zeit über erfolglos. Obwohl
er aber genau weiß, dass ihm etwas fehlt. Wobei dieses „ihm fehlen“ dann gleichzusetzen ist mit dem unbewussten Gefühl der Schuld. Hier haben wir es mit sehr viel Ungeklärtem zu tun, das aber in
besonders schwierigen Fällen schlicht und einfach zur Realität mutiert. Das Unerklärte ist dann die Realität, wobei die Realität wieder selber dann als Ungeklärtes etwas wird, was man im Grunde
genommen gar nicht leben kann.
So entstehen hier sogenannte Kulissen- und Attrappen-Gefühle, die den Menschen immer wieder daran zweifeln lassen, ob die Welt, in der er sich gerade befindet, die wirkliche Welt ist, oder ob es
nur eine Fiktion, eine Illusion ist. Auf hoch entwickeltem Niveau können wir sicherlich sagen, dass Saturn-Neptun die verloren gegangene Illusion ist, also das Erblicken der Wirklichkeit. Aber
wir wissen, dass das gerade bei Saturn-Neptun in der Regel ein jahrzehntelanger Weg ist. Und normalerweise ein Mensch zunächst mal mit großen Ängsten und auch zum Teil rationalisierten oder etwas
konkretisierten Schuldgefühlen ausgestattet ist.
Eine Frau erzählte mir mal, dass sie als kleines Kind, es war allerdings schon Anfang des letzten Jahrhunderts, immer wenn Besuch in das hochherrschaftliche Haus gekommen ist, sich unter einem
riesigen Tisch aus Eichenholz mit Löwenfüßen versteckt hat. An diesem Tisch saßen dann ihr Vater und oft ein entsprechender Geschäftsmann und unterhielten sich über die Geschäfte und wussten
natürlich, dass das kleine Mädchen unter diesem Tisch sitzt. Aber das kleine Mädchen war der Meinung, wenn es unter diesem Tisch sitzt, ist es unsichtbar geworden. Dieses kleine Mädchen wurde
dann größer und als erwachsene Frau war diese Frau sogar in der Lage, so sagte sie jedenfalls, diesen Tisch mit bloßen Händen, ohne ihn zu berühren, dann auch zu bewegen. Dieser Tisch rückte ihr
dann hinterher, wenn sie ihre Hände über ihn hält. Nun, Sie und ich, wir können darüber denken, was wir wollen. Aber auf jeden Fall passt es zu der geheimnisvollen Attitüde, die Saturn-Neptun in
jedem Falle beinhaltet. Wesentlich an dieser kleinen Anekdote wäre vor allen Dingen, dass man sich in der Realität versteckt, wie mit einer Tarnkappe, und tatsächlich der Meinung ist, nicht mehr
gesehen zu werden, also im Grunde genommen vor dem Erkennen der Schuld geschützt ist.
Hermann Hesse hat in seinem Roman Siddhartha über die sogenannten Samanas, Büßer, die sich geißelnd durch die Straßen bewegen und versuchen, aus ihrem Körper zu entkommen, geschrieben. Diese
Beschreibung von Hermann Hesse ist eine wunderbare Beschreibung der Saturn-Neptun-Identität. Es heißt dort: Fremd und Feind der Welt, von Einsamkeit umgeben, hagere Schakale im Reich der
Menschen. Hinter ihnen weht heiß der Duft mitleidloser Entselbstung. – Wenn Sie versuchen, in diese Texttiefe einzudringen, dann dringen Sie mehr in Saturn-Neptun ein. Es braucht möglicherweise
eine gewisse Zeit, bis Ihnen der Geruch, der Geschmack dieser Konstellation sozusagen auf die Zunge kommt. Aber ich denke, es lohnt sich sehr, diese Zeilen sich genauer zu betrachten, um in
Saturn-Neptun einzudringen. Wir können auch davon ausgehen, weil die frühkindliche Seele bei dieser Konstellation ganz früh narkotisiert wurde - Saturn-Neptun ist einer der größten
Suchtdispositionen, die wir astrologisch kennen - dass dieses in-Schlaf-versetzt-werden der frühkindlichen Seele dem Zweck diente, dem Druck der Realität irgendwie zu entkommen. Man schickt sich
sozusagen selber in die Verbannung.
Wenn wir davon ausgehen, dass ein Mensch in der Verbannung lebt, dann ist er ja im Grunde genommen aus der Welt. Er ist in diesem Sinne nicht mehr zu erreichen, er ist nicht mehr verfügbar für
die Welt, und er stellt sich auch selber für die Welt nicht mehr zur Verfügung. Da dies aber alles in der Realität geschieht und wir nicht im konkreten Sinne von einer Verbannung sprechen können,
muss also ein Verhalten entstehen, das mit einem Grenzgänger vergleichbar sein kann. Also jemand, der sich immer zwischen den Welten bewegt und der immer nur das Notwendigste in der realen Welt
versucht, zu erledigen, um dann wieder aus dieser realen Welt in eine andere, die ihm möglicherweise mehr Wert erscheint, um dann wieder in eine andere Welt überzugehen. Eine Art Pendler zwischen
den Welten, der sich in der Realität auch deshalb nicht zu lange aufhalten möchte, um nicht als der Schuldige identifiziert oder verleumdet oder angezeigt zu werden. Man versucht, vor sich und
anderen die vermeintliche Schuld zu verbergen, und damit hat man sein Leben lang in den schwierigsten und unentwickelten Fällen damit zu tun. Das Verbergen der Schuld, der vermeintlichen Schuld,
wird häufig eine zentrale Tätigkeit, die man - auch unbewusst im Sinne von Selbstverhinderungsritualen und so weiter - dann an den Tag legt.
Es ist ganz wichtig, dass man im Grunde genommen hier in dem Sinne geboren wird, um den Vorgang der Geburt zu erleben, unbelastet von einer Schuld, die sich sozusagen an diesen Vorgang heftet.
Insofern muss man deutlicher in den Vordergrund der Realität treten, was also auch bedeutet, dass man den Realitätssinn und das Realitätsbewusstsein ein wenig schärfen muss, um nicht in der
Realität unterzugehen, um in ihr zu bestehen. Dieser Weg ist insgesamt nur genauer zu beschreiben, wenn man ein spezielles Horoskop vor Augen hat. Der Spruch, dass man sich selbst zu erkennen
hat, ist aber für Saturn-Neptun-Menschen sicherlich eine absolut zentrale Aufforderung. Und man könnte wahrscheinlich sogar sagen, dass dieses „erkenne dich selbst“ für Saturn-Neptun in
unvergleichbarer Weise mit anderen Menschen wirklich das Wesentlichste ist, was sie im Leben zu tun haben.
Es geht hier im Grunde genommen um eine Reise, die zwischen den Welten vollzogen wird, um dann irgendwann festzustellen, dass man sich in der einen, sowohl auch in der anderen Welt, gefunden hat.
Man ist dann ein Grenzgänger auf Lebenszeit. Aber kein Grenzgänger, der von der einen Seite auf die andere Seite flüchtet, und dann umgekehrt wieder von der anderen auf die eine Seite, sondern
ein Grenzgänger in dem Sinne, dass er sich in beiden Welten, des Rationalen und des Irrationalen, gut auskennt. In dem Falle ist dann der Traum Realität und die Realität ein Traum. Die Indianer
früher vermochten durchaus ihren Träumen teilweise größere Beachtung zu schenken, als der Realität, in der sie sich bewegten. Und das ist den modernen Menschen abhanden gekommen. Es sei denn, sie
haben Saturn-Neptun, dann haben sie jedoch diese Fähigkeit. Aber die positiven Gaben, die mit dieser Konstellation verbunden sind, wird man sicherlich erst auf entwickeltem Niveau, wenn man den
größten Teil der Schuldlosigkeit in sich erkannt hat, leben können.
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